Montag, 1. Dezember 2008

Gott und die Welt


"Warum ich kein Christ bin" erklärte Bertrand Russell in einem gleichnamigen Vortrag und Aufsatz von 1927, der seiner akademischen Karriere nicht gerade förderlich war. Warum ich gegen Religion im Allgemeinen bin, werde ich hier versuchen, darzulegen.

Religionen sind beliebige Weltanschauungen, die sich oft nur darin gleichen, dass sie einander widersprechen. Viele Religionen beanspruchen, die alleinige Wahrheit zu verkünden, von daher schließen sie ihre Konkurrenten kategorisch aus. Dies gilt besonders für die großen monotheistischen Religionen des westlichen Kulturkreises (inkl. Naher Osten), auch für das Christentum, auf das ich hier vor allem eingehe, weil ich es besser kenne als die anderen Religionen.
Wären also alle oder auch nur ein paar Religionen wahr, so wären sie laut ihrer eigenen Definition alle falsch. Also kann nur eine davon wirklich wahr sein. Aber welche? Es gibt nichts, was für die Wahrheit irgendeiner dieser Religionen spräche. Wir sollen etwas glauben, weil wir nichts wissen können. Dabei spricht genauso viel oder wenig für die Existenz jeder beliebigen Gottheit, oder gar keiner. Wir können in etwas, das wir nicht verstehen, eine Offenbarung Gottes genauso sehen, wie eine Offenbarung von Zeus, Baal, dem Fliegenden Spaghettimonster oder [hier bevorzugte Gottheit eintragen]. Oder wir versuchen, es ohne solche Krücken zu erklären, was mir als die bessere Methode erscheint.

Religionen berufen sich auf althergebrachte Überlieferungen, die von uns geglaubt werden sollen, weil wir das schließlich schon immer so tun. Und es ist ja kein Wunder, dass wir glauben, denn der Glaube wird schon den Kindern im Kindergarten und in der Schule gelehrt, Kindern in einem Alter, in dem sie sich intellektuell noch nicht gegen Indoktrination wehren können. Gehirnwäsche während der wichtigsten Wachstumsphase wird man auch als erwachsener Mensch kaum wieder los. Bessere Menschen werden wir dadurch nicht, so etwas wie Toleranz und Verantwortung für die Umwelt kommt auf unserem religiösen Stundenplan nicht vor. Moralische Werte findet man außerhalb der Religion bessere.

Ich will hier nicht die Frage beantworten, ob es einen Gott gibt und falls ja, welchen. Das weiß ich genauso wenig wie sonst irgend ein Mensch auf dieser Welt. Aber es gibt nichts, was die Existenz eines bestimmten Gottes bedingt. Die göttlichen Wunder, von denen Bücher wie die Bibel berichten, sollen wir alle glauben ohne irgendein Anzeichen dafür, dass sie wirklich stattgefunden haben. Gott kann man angeblich in allem erkennen. Das gilt dann aber auch für jede andere beliebige esoterische Variante.
Anders ausgedrückt: sollte ein Gott existieren, so scheint er (oder sie) keinen großen Wert darauf zu legen, als solcher erkannt zu werden und möchte lieber inkognito bleiben. Und warum sollten wir uns also ausgerechnet hier Gottes Willen widersetzen?

Etwas extremer hat sich über dieses Thema Steven Weinberg geäußert: "Religion ist eine Beleidigung der Menschenwürde. Mit oder ohne sie würden gute Menschen Gutes tun und böse Menschen Böses. Aber damit gute Menschen Böses tun, dafür bedarf es der Religion." Wenn er damit recht haben sollte, wofür einige Anzeichen sprechen (siehe Nachrichten, egal von wann), dann entziehen diese drei kurzen Sätze jeglicher Religion die Existenzberechtigung. Soweit will ich aber gar nicht gehen, meine oben geäußerte Meinung ist agnostizistisch, jene von Weinberg ist atheistisch und ähnlich dogmatisch wie der Katholizismus.
Von mir aus soll jeder mit seiner Religion glücklich werden, sofern er dabei keinen Schaden anrichtet. Schlimm sind jene Ansichten, die sich selbst als unfehlbar begreifen und jene Religionen, die zu missionieren versuchen. Prinzipiell möchte ich alle Meinungen und Glaubensrichtungen tolerieren, aber bei solchen, die mich ablehnen, geht das natürlich nicht. Und das, was das Christentum Nichtchristen in Aussicht stellt, sehe ich durchaus als Ablehnung an (selbiges gilt auch z.B. für den Islam mit seiner Polemik gegen Ungläubige).

Was ich momentan als schlimmste Auswirkung der Religion empfinde, ist das Ablenken von tatsächlichen Problemen. Gott kümmert sich um seine Schöpfung, darum kann es keine Umweltprobleme oder Klimawandel geben, die Natur ist uns untertan und wir können bedenkenlos weitermachen wie bisher. So hört man aus religiös-konservativen Kreisen. Betet und alles wird gut. Genau das wird es eben nicht, wenn wir nicht entsprechend handeln.

Noch etwas zu Jesus: jemand, der Leuten, die ihm nicht bedingungslos folgen, die ewige Verdammnis in Aussicht stellt, kann kein so toller Mensch (oder Gott) gewesen sein. Womit wir wieder bei Russell wären, der das vor über 80 Jahren auch schon feststellte. Aber vielleicht hat das, was über Jesus, einem von zahlreichen jüdischen Wanderpredigern damals, geschrieben wurde, nicht allzu viel mit dem zu tun, was er gesagt und gemeint hatte. Wenn es ihn als einzelne Person wirklich gab. Jesus angebliche Lehre der Verdammnis, wie sie die Bibel wiedergibt, hatte die katastrophalsten Auswirkungen auf unsere Kultur, die vorstellbar sind. Aber in ein paar Tausend Jahren kann viel verloren gehen und viel völlig neu interpretiert werden, so dass als religiöse Lehren nur historische Artefakte übrig bleiben, ohne Bezug zur Wirklichkeit, der Welt. Ihr Alter und ihre sich daraus ergebende "Würde" macht sie dann unantastbar. Bis sie hinterfragt werden.

Für Interessierte: Bertrand Russells Warum ich kein Christ bin und anderes.
Russell schreibt zwar besser, dafür schreibe ich kürzer.