Sonntag, 21. Dezember 2008

Das Seltsamste


Die Zeiten, in denen eine Person das gesamte Wissen der Menschheit überblicken konnte, sind schon lange vorbei. Es ist einfach viel zu viel geworden. Wir sind Experten auf einem oder auf wenigen Gebieten, von anderen verstehen wir wiederum fast nichts. Das ist normal. Dennoch gibt es einige wissenswerte Dinge, von denen man zumindest einmal gehört haben sollte, auch wenn sie so gar nicht im eigenen Fachgebiet liegen. Und zu guter Letzt hat der vielzitierte Blick über den Tellerrand meist mehr genutzt als geschadet.

Was ist das Seltsamste, das uns bekannt und allem Anschein nach auch richtig ist? Das ist wohl Geschmackssache. Mein Favorit ist im Bereich der Quantenmechanik angesiedelt, die ja ohnehin nicht arm an Kuriosem ist. Das sollte auch nicht weiter verwundern, denn wir Menschen sind es gewohnt mit Sachen umzugehen, die sich unmittelbar um uns herum abspielen, so im Bereich zwischen Millimeter und Kilometer. Mit subatomaren Prozessen mussten wir uns in unserer Geschichte selten herumschlagen und so widersprechen sie oft dem, was wir erwarten und was wir den gesunden Menschenverstand nennen.

Verschränkung
Das für mich Seltsamste aller unerwarteten Phänomene ist die Verschränkung. Diese ist ganz einfach zu beschreiben, aber kaum zu erklären. Es ist möglich, zwei Teilchen (insbesondere Photonen, Lichtteilchen) so zu erzeugen, dass ihr Verhalten voneinander abhängig wird, sie also verschränkt sind. Das eine Teilchen wird immer das Gegenteil vom anderen machen, egal, ob sie in einem Raum sind, oder das eine in Timbuktu und das andere in Wladiwostok ist, oder das eine auf der Erde und das andere im Andromedanebel steckt. Wenn sich das eine nach rechts dreht, dreht sich sein verschränkter Partner nach links - und zwar anscheinend im selben Augenblick (oder, nach aktuellen Messungen, mit einer Übertragungsrate von mindestens der 10.000-fachen Lichtgeschwindigkeit). Dabei kümmern sich die beiden Teilchen also nicht die Bohne um den in Stein gemeiselten Satz, dass nichts schneller sein kann als das Licht. Das, was die Relativitätstheorie hier rettet ist, dass keine messbare Information übertragen wird, denn das exakte Messen von Quantenzuständen ist nicht möglich (dieser Nebensatz ist die sehr vereinfachte Version von Heisenbergs Unschärferelation). Wie die beiden Teilchen sich über große Entfernungen verständigen, bleibt auch unbeantwortet

Warum die Natur so etwas macht, das nicht nur dem gesunden Menschenverstand, sondern sämtlichen anderen natürlichen Phänomenen widerspricht, das wissen wir nicht. Einstein, dem der Gedanke gar nicht behagte, sprach von einer 'geisterhaften Fernwirkung'. Aber welches geisterhafte Wesen, das eine solche Macht hätte, sollte sich damit abgeben, Photonen so anzuschubsen, wie wir es hier beobachten? Andererseits: welche Kraft könnte so etwas bewirken? Wie auch immer, die Quantenmechanik fordert diesen Effekt und er wird ja auch tatsächlich beobachtet. Und wenn die Quantenmechanik falsch wäre, dann würde fast unsere gesamte Technik nicht funktionieren. Irgendwas wird also schon dran sein.

Etwas, wofür die Verschränkung nutzbar wäre und woran mit Hochdruck geforscht wird, ist der Quantencomputer. Der könnte zwar nicht mehr als ein normaler Computer, das aber wesentlich schneller. Mehr von philosophischer Art ist die gefolgerte Erkenntnis, dass es so etwas wie eine 'lokale Realität' nicht gibt. Alles ist überall.